Montag, 15. März 2010

Interlacing ist kein Fehler!

Ein Freund machte neulich mit seiner neuen Videokamera Aufnahmen in einer Hotellobby. Bei einem Schwenk sind ihm störende Linien aufgefallen, die während der Bewegung vor allem an senkrechten Bildinhalten deutlich sichtbar werden. Er hatte schon mal was von Halbbildern gehört, aber das kam ihm jetzt doch wie ein Fehler vor.
Hier ein Ausschnitt, nicht die Hotellobby, aber auch ein Kameraschwenk:

Als erstes vorneweg: diese Linien sind kein Fehler! Mit Halbbildern schlagen wir uns in der Videobranche seid 1930 herum. Und das wird noch eine Weile so bleiben, auch HD ändert erst einmal nichts daran, auch wenn es hier progressive Formate gibt.


Was ist Interlacing?

Eine Sekunde besteht in der PAL-Welt aus 25 Einzelbildern. Das ist leider etwas wenig, deshalb kann es hier schnell passieren, dass Bewegungen anfangen zu ruckeln. Nahe liegende Lösung: man wollte die Anzahl der Bilder pro Sekunde (also die Frequenz) erhöhen. Die sparsamen Videotechniker wollten aber nicht die doppelte Menge an Bildern übertragen müssen - denn dafür braucht es Bandbreite, und Bandbreite kostet Geld.
Also hatte man die Idee, ein Bild, nennen wir es Vollbild, aufzuteilen in: Richtig. Zwei Halbbilder.
Die ersten Kameras, die Halbbilder produzierten, zeichneten also erst die ungeraden Zeilen des Bildsensors auf, und dann die geraden. Der klassische Röhrenfernseher ist dafür übrigens prima geeignet, da er ein Bild immer Zeile für Zeile aufbaut, und kein Problem damit hat, erst die ungeraden und dann die geraden Zeilen darzustellen. Da das alles recht zügig abläuft, bekommt der Zuschauer nichts davon mit.

Warum sehe ich dann die Halbbilder?

Dummerweise ist ein Computermonitor nicht für die Darstellung eines Videosignals gemacht, hier gibt es keine Halbbilder und übrigens auch keine "nicht quadratischen Pixel", aber das ist ein anderes Thema. Die Antwort ist also ganz einfach. Der Monitor am Computer zeigt das Vollbild, das aus zwei Halbbildern besteht. Da die Halbbilder zu leicht verschiedenen Zeiten aufgenommen wurden, ist ein bewegtes Objekt im zweiten Halbbild schon etwas weiter. Und das sieht dann aus wie im Bild oben.

Wie werde ich die Halbbilder los?

Wenn Du Glück hast, brauchst Du das gar nicht!
Videoaufnahmen, die am Ende auf eine DVD gebrannt oder im Fernsehen ausgestrahlt werden, können so bleiben, da die Geräte Fernseher & DVD-Player sehr gut mit Halbbildern umgehen können (manche Geräte übrigens besser als andere, aber auch das ist ein Thema für sich).
Wenn der Clip jedoch im Internet veröffentlicht werden soll und ausschließlich auf Computern zu sehen sein wird, dann muss man die Halbbilder zu einem Vollbild machen. Diesen Vorgang nennt man Deinterlacing. Es ist viel Software im Umlauf, die das beherrscht, manche gut (z.B. Fieldskit) und manche weniger gut. Grundsätzlich würde ich empfehlen, erst am Schluss zu deinterlacen, und nicht schon das komplette Rohmaterial. Wenn die Software dann noch adaptives deinterlacing beherrscht, ist man schon mal auf einem guten Weg. Dabei wird nämlich nicht einfach jede zweite Zeile weggeschmissen (was das Halbbild-Problem auch löst, aber auf Kosten der Auflösung geht), sondern es wird die Bewegung analysiert und ein neues Vollbild aus den Halbbildern berechnet.

So sieht das ganze aus, wenn man es deinterlaced. In diesem Fall allerdings "nur" mit dem Deinterlacing-Filter aus Photoshop.